Festival talk with Günther Groissböck
4th August (updated March 2016)
Ihr Repertoire ist ja sehr breit gefächert – deutsch, französisch, italienisch, selbst russisch ist dabei – wo fühlen Sie sich am wohlsten?
Natürlich im deutschen Repertoire. Einfach weil es in der Unmittelbarkeit des Ausdrucks so nahe ist. Logischerweise, denn man kann jedes Wort - und sei es bloß ein kleines Bindewort - ganz persönlich färben, da man natürlich zur eigenen Sprache den größten Bezug hat. Vokal ist selbstverständlich das Italienische Repertoire besonders angenehm zu singen und es liegt mir aufgrund meines familiären Umfeldes besonders am Herzen. Ich mag aber auch Russisch oder Tschechisch sehr gerne. Und da denke ich etwa an "Rusalka" oder "Boris Godunow", denn diese sind viel sanglichere Sprachen, als man vielleicht auf den ersten Blick meinen würde. Was aber die Authentizität angeht, hat man natürlich in der eigenen Sprache die größte Farbpalette zur Verfügung.
Was wäre die absolute Traumrolle und warum?
Eine davon ist sicher der "Gurnemanz", den ich bald an einigen ganz wichtigen Theatern singen werde. Und natürlich "König Philipp" in "Don Carlo", weil die Figur einfach etwas Abgründiges, Schwermütiges und Melancholisches hat. Die Musik dieser Oper hat grundsätzlich diese düstere Grundstimmung, die ich wahnsinnig faszinierend finde.
Was war bist jetzt Ihre größte Herausforderung?
Wahrscheinlich der "Rosenkavalier". Allein schon intellektuell gesehen, auch wenn man das von außen betrachtet bei dieser Rolle nicht denken würde. Aber rein lerntechnisch und musikalisch war das sicher die größte Herausforderung. Man würde gar nicht glauben, wenn man das Stück nur vom Hören kennt, wie schwierig es wirklich ist.
Auch weil es so leicht klingen muss?
Ja, genau. Es klingt alles so leicht und spielerisch, ein bisschen Walzermusik, die keineswegs den Eindruck vermittelt, dass das tonal unglaublich schräg komponiert und gesetzt ist. Es gibt da gegeneinander reibende Tonhöhen, wo das Orchester etwa einen Halbton unter einem selbst spielt und auch viele verschobene Harmonien. Aber auch die Aufmerksamkeit und Konzentration, die das Stück von einem erfordert, ist enorm. Es gibt kaum drei aufeinanderfolgende Takte, wo man es einfach mal genießen und sozusagen durch den Part „cruisen“ kann. Man muss immer auf der Hut sein, denn man wird rhythmisch und tonal ständig gefordert.
Sie singen nicht zum ersten Mal in Salzburg. Seit 2002 sind Sie eigentlich regelmäßig hier zu Gast. Was verbinden Sie mit Salzburg?
Da gibt es eine sehr große Erinnerungspalette, was allein schon mit meiner Kindheit zu tun hat. Meine Großmutter hatte eine Wohnung hier und deshalb war ich schon als Kind sehr oft in Salzburg. Ich habe mit ihr hier sehr viele Sommer verbracht und diese typische „Festspielluft“ schnuppern können und dürfen. Durchs aktive Dabeisein bei den Festspielen bin ich dann schließlich sozusagen auf der anderen Seite gestanden, verbinde aber abgesehen von den Festspielen, einfach auch ein äußerst angenehmes Freizeitgefühl mit Salzburg. Die Berge und die günstige geographische Lage machen es einfach zu einem besonderen Platz und wenn das Wetter auch mitspielt, ist Salzburg ja eine richtig tolle Urlaubsdestination.
Bassrollen sind meistens entweder die alten weisen Männer oder Bösewichte, selten Heldenrollen. Wie sehen Sie das?
Das Spektrum ist doch etwas größer als man vielleicht meint, besonders wenn man, wie ich, ein Basso cantante, also ein hoher Bass ist. Da kann man hin und wieder auch etwas ins Heldenbaritonfach reinschnuppern. "Orest" zum Beispiel ist so eine Partie, die zwischen den Fächern liegt, aber natürlich gibt es kaum diese klassischen Liebhaberrollen wie im Tenorfach, die dann ihre schmachtenden Arien singen und ihre Geliebten aus Eifersucht töten oder so. In unserem Fach geht es da schon eher seriös zu, aber auch hier gibt es Charaktere, die Abgründe haben, eine Entwicklung durchmachen und nicht nur von vornherein „fertig“ sind. Und ich bin, Gott sei Dank, jetzt inzwischen in der Situation, mein Repertoire dementsprechend ausbauen zu können, um auch in diese Richtung gehen zu können. Also Figuren darstellen zu können, die mehr als nur dem guten alten Mann mit aufgeklebtem Bart entsprechen.
Ihr Debut letztes Jahr als Ochs hat ja mit den gängigen Klischees dieser Rolle aufgeräumt. Was halten Sie von der Deutung als durchaus gutaussehenden jungen gewitzten Casanova.
Also eigentlich ist es ja gar nicht so revolutionär, auch wenn es in der Aufführungsgeschichte vielleicht so scheinen mag. Wir erfinden ja nichts Neues, sondern halten uns an das, was dasteht und ich glaube, dass diese Darstellung, wie wir sie hier jetzt haben, mehr dem „beabsichtigten Ideal“ der Schöpfer entspricht, als die gängige, klassische Version. Die protzigen Liebesabenteuer des Barons sollten ja eine gewisse Glaubhaftigkeit haben und der dickbäuchige, schwerfällige Kerl, wie man ihn klischeehaft so kennt, wirkt da meines Erachtens einfach nicht wirklich glaubhaft. Auch die Musik zeigt ein anderes Bild. Etwa bei der "Mägdeerzählung" ist eine gewisse Hektik allgegenwärtig und er, der Baron, überschlägt sich ja fast in seinen Erzählungen, was schon darauf hindeutet, welche Lebenslust dieser Mann hat.
Der Ochs steht demnächst auch in München und New York auf ihrem Spielplan. Was gibt es in Zukunft noch für Projekte?
Es gibt einiges Tolles, was da auf mich zukommt: Der Ochs kommt etwa auch 2016 in Mailand, übrigens in der Salzburger Produktion. Gurnemanz kommt im kommenden Herbst nun in Amsterdam, 2018 in einer Neuproduktion in Paris und ebenfalls in diesem Jahr dann auch in Bayreuth, Kaspar (Freischütz), König Marke (Tristan), Pogner (Meistersinger) zunächst in Paris und dann in Bayreuth 2017. Also es ist schon mächtig was los. Außerdem gibt es auch noch ein ganz verlockendes Angebot für etwas ganz „Narrisches“, was an Verrücktheit das Rollendebut als Ochs bei den Salzburger Festspielen 2014 wohl sogar noch übertrifft - und solche Dinge reizen mich natürlich immer ganz besonders...
Ein Haus an dem Sie besonders oft gastieren ist ja die Bayerische Staatsoper in München. Ist das quasi eine Art musikalische Heimat?
Ja, auf jeden Fall, vielleicht sogar mehr als das. Ich fühle mich dort einfach besonders wohl, denn es liegt mir sowohl von der Mentalität als auch der Sprache einfach richtig nahe. Es ist natürlich auch ein besonderes Glück, dass dort momentan sozusagen die Post abgeht. Man kann, glaube ich, ohne etwas Falsches zu sagen, sicherlich behaupten, dass dieses Haus momentan die absolute Spitze repräsentiert. Was Sänger betrifft ist es eigentlich kaum zu toppen, allein von der Homogenität der Besetzungen. Ein oder zwei große Namen kann jedes Haus mal bringen, aber eine solche Harmonie innerhalb der Casts ist schon ein klarer Punkt für München. Es herrscht dort auch eine sehr uneitle, sachliche und herzliche Atmosphäre und auch deshalb bin ich wirklich sehr gern dort.
Haben Sie ein Idol, ein Vorbild zu dem Sie aufblicken?
Ja, da gibt es schon einige Namen, die mich sehr faszinieren. Große Sänger aus der Vergangenheit und auch noch Lebende. Es ist immer schwierig Namen zu nennen, denn sobald man den einen Namen ausgesprochen hat fallen einem fünf andere ein, die man auch nennen müsste. Im Klangideal bin ich sehr beeindruckt von Franz Crass. Aus sängerischen und persönlichen Gründen, bin ich mit José van Dam, der mich einige Jahre unterrichten hat, sehr verbunden, aber jeder hat seinen eigenen Charakter, seine eigene Herangehensweise und muss dann letztlich auch seine eigenen Wege gehen.
Junge Sänger kämpfen heute oft mit dem harten Operngeschäft und werden oftmals stimmlich sehr früh zu sehr gefordert. Was sagen sie zu dieser Entwicklung?
Das kommt immer darauf an, wo man beginnt. Ich kenne eher den umgekehrten Fall. Ich war sehr früh und relativ jung an großen Häusern, zuerst in Wien und dann in Zürich. Und bei mir war es eher so, das ich sehr ungeduldig war und schon Grösseres wollte, als man mir teilweise zugestanden hat. In Zürich waren die Aufgaben ansatzweise schon ganz gut dosiert. In kleineren Häusern kann es aber natürlich schon passieren, dass man in Rollen hineingeworfen wird, die zu früh und daher vokal wirklich gefährlich sind. Rollen etwa, die stimmlich Dramatisches verlangen und karrieretechnisch einfach auch zu früh kommen und man dann einfach noch nicht ausfüllen kann. Da muss man höllisch aufpassen, dass man seinem Instrument nicht schadet und da denke ich, dass man in kleineren Häusern möglicherweise eher gefährdet ist „verheizt“ zu werden. An größeren Häusern muss man aber eben umgekehrt aufpassen, dass man nicht mit zu kleinen Rollen unterfordert wird und dadurch einfach keine Gelegenheit hat, sich zu entwickeln. Es geht wie immer um die richtige Balance zwischen gefordert und gefördert werden und selbstverständlich muss man sich selbst auch in Geduld üben, damit man eben nicht mit 25 schon den ersten Sachs oder Wotan singen will.
Ich weiß zufälligerweise, dass Sie ein sehr leidenschaftlicher Radsportler sind. Kommen Sie bei Ihrem vollen Terminkalender überhaupt dazu das überall auszuüben?
Nun ich versuche mir jedes Jahr gewisse Ziele, meist Radmarathons zu setzen. Dieses Jahr habe ich immerhin zwei geschafft: das war die berühmte „Marmotte“ - das ist ein sehr bekannter Radmarathon in Frankreich mit über 5000 Höhenmetern bei 174 Kilometern und dem berühmten Schlussanstieg nach L’Alpe d‘Huez und die Woche davor war ich in Aprica beim Granfondo Campionissimo, eine klassische Giro d’Italia Etappe über Passo di Gavia und Mortirolo. Das sollte natürlich so in den Kalender eingebettet sein, dass man ca. 3-4 Tage dazwischen hat, um wieder etwas runterzukommen. Wenn man solche Ziele hat, dann gibts auch wirklich eine Motivation, sich übers Jahr soweit fit zu halten, um da überhaupt teilzunehmen zu können. Natürlich klappt es nicht bei jedem 3-Tagesaufenthalt, das Rad mitzunehmen, aber man kann z.B. überall laufen gehen oder im Fitnessstudio auf ein Bike steigen. Im letzten Winter hatte ich zum Beispiel mal den konkreten Fall, dass ich in München Vorstellungen hatte und meine Tourenskier mit hatte. Und nach Probenende bin ich z.B. abends einfach mal nach Salzburg gefahren und mit Stirnlampe im Dunklen auf den Untersberg gelaufen. Es gibt also immer irgendeine Möglichkeit sich fit zu halten.
Ist das dann wirklich Erholung?
Das ist in dem Maße sicher Erholung, weil es mir den Kopf und das Blut vom Berufsstress etwas reinigt. Wenn ich allerdings etwas mehr Zeit hätte, dann wäre es wahrscheinlich keine Erholung mehr, weil dann der Leistungsdruck zu groß werden würde. Dann kämen Gedanken wie etwa, dass der Ötzi (Ötztaler Radmarathon) unter 8:32h gehen muss und ähnliches. Man kann halt seinen Charakter schwer ändern und nicht aus der eigenen Haut raus. Aber solange es im richtigen Ausmaß bleibt, ist es sehr erholsam und ist auch körperlich für das Singen gut.
Schön, vielen Dank für das Interview und alles Gute.
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